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Kultursamstag – Folge 2

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Prolog:

Eine fremde Frau nähert sich beim Mittagessen in einer Berliner Pizzeria der Gruppe, spricht Frau Trabitz an, stellt sich als Lehrerin einer Berliner Schule vor und fragt, ob die Gruppe Jugendlicher Schüler seien. Auf die Bejahung reagiert sie erstaunt – sind denn keine Ferien? „Doch“, antwortet Frau Trabitz, „gestern war letzter Schultag.“ Das Erstaunen wird größer: „Und dann fahren Sie heute nach Berlin?“

 

Samstag, 21.12.2019, Holzdorf (Elster) , 10.00 Uhr

Eine ansehnliche Gruppe Schüler des Gymnasiums Jessen, Klassenstufe 11 befindet sich auf dem Bahnhof in Holzdorf (Elster), es ist kurz nach 10 Uhr, die Sonne scheint vom blauen Himmel herunter. Das Ziel: Berlin. Der Anlass: Kultursamstag. Das Programm: Themenbereiche, die normalerweise im Lehrplan der Oberstufe nicht oder nicht mehr behandelt werden. Da ertönt die Durchsage „wegen technischer Probleme ….“. Eine Verspätung von 15 Minuten. Nicht schlimm, die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Lachende Gesichter. Geschichten über verspätete Züge, die man selbst schon erlebt hat, verkürzen die Wartezeit.

Samstag, 21.12.2019 (Berlin, Zoopalast), 12.00 Uhr

Während der Großteil der Wartenden vor dem Kino den neuen „Star Wars“-Blockbuster besuchen will, geht es für uns ins „Clubkino B“. Clubkino? Ein Nebenraum, ausgestattet wie eine Bibliothek, Platz für knapp 40 Personen. Der Kommentar eines Schülers: „Richtig cool hier!“ Geplant ist der Besuch des Films „Amazing Grace“, ein Film über ein Konzert, das Aretha Franklin im Jahre 1972 gehalten hat. Aretha? Genau – die Queen of Soul, die im Laufe ihrer Karriere zahlreiche Nummer-eins-Hits sang und dafür mit genauso zahlreichen Ehrungen überhäuft wurde. Angefangen von verschiedenen Grammy-Awards bis hin zur Aufnahme in die Rock&Roll Hall of Fame (als erste Frau!). Dass Aretha aber auch ganz anders singen kann, zeigt dieser Film – ein Konzert in der New Temple Missionary Baptist Church, das Konzert, dessen Live-Mitschnitt später das meist verkaufte Gospel-Album der Welt werden sollte. Knapp 89Minuten verfolgt man das Geschehen und ist gerührt, ergriffen, erstaunt mit welcher Kraft, welchem Gefühl sie singt und wie ihr Gesang auf die Zuschauer wirkt. Erst jetzt, so scheint es, versteht man die Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten. Es ist ein Film, sagen die Schüler, der anstrengend ist, über den man nachdenken muss, den sie sich selbst nie angeschaut hätten. Sehr gut, denn genau das ist das Ziel. Die Konfrontation mit Neuem, Unbekanntem.

Samstag, 21.12.2019 (Berlin, Neues Museum), 15.25 Uhr

Wir sind zu spät. Laut den Informationen auf dem „Beipackzettel“ der Reservierung sollen Schülergruppen 15min vorher ankommen. Wir sind 35 Minuten zu spät. „Dit is ken Problem“, sagt der freundliche Mann am Schalter, „heut is wenig los.“ Glück gehabt – an anderen Tagen ist man rigoros. Wer zu spät kommt, wird bestraft. Heute aber, staunen die Schüler erst einmal über die Architektur der James-Simon-Galerie, über die man ins Museum gelangt. Ein Wow-Moment. Dann erklären die Audio-Guides ausführlich, was alles zu bestaunen ist. Kunst der Antikensammlung, ägyptisch, griechisch, römisch. Dazwischen Ausgrabungsfunde aus Berlin – ein Elch. Der Auftrag von Herrn S. lautet aber: Findet die schönste Frau der Welt. Und tatsächlich, im Saal 210 steht sie, sanft beleuchtet und unglaublich schön: Nofretete. Die Frau des Pharao Echnaton, die den Beinamen „Die Schöne ist gekommen“ trägt. Sie beeindruckt immer noch, obwohl die Büste mittlerweile über 3000 Jahre alt ist. Wieder ein Wow-Moment. Und außenherum um die Schöne – das Gebäude, ein Bau der Neorenaissance, ein Werk von Friedrich August Stühler, das in einer beeindruckenden Art und Weise von David Chipperfield um einen faszinierenden Eingangsbereich ergänzt wurde. Wow.

Samstag, 21.12.2019 (Berlin, Charlottenburger Schloss), 18.00 Uhr

Es leuchtet blau, gelb, dann rot. Die Sommerresidenz der Hohenzollern in Berlin, Schloss Charlottenburg. Davor ist zu dieser Jahreszeit einer der schönsten Weihnachtsmärkte Berlins aufgebaut. Die Atmosphäre ist einmalig, aber die Schüler werden langsam müde. Einige beklagen sich, dass man zu viel gelaufen sei. Dabei reicht die Zeit leider nur noch für einen schnellen Gang, ein kurzes Verweilen. Einen Kinderpunsch, ein bisschen Süßzeug. Was man nicht gesehen hat? Eine ganz lange Liste – das ist aber in Ordnung. Die Kultursamstage in Berlin sollen nicht erschöpfend behandeln, sondern die Lust wecken, wiederzukommen und noch mehr Neues zu sehen.

Samstag, 21.12.2019 (Holzdorf (Elster), 20.51 Uhr

Der Zug fährt pünktlich ein. Die Schüler, müde aber zufrieden, laufen zu den wartenden Autos, drehen sich nochmal um, winken. Die Verabschiedung ist kurz aber ehrlich. Jetzt beginnen die Ferien.

Epilog:

Eine fremde Frau nähert sich beim Mittagessen in einer Berliner Pizzeria der Gruppe, spricht Frau Trabitz an, stellt sich als Lehrerin einer Berliner Schule vor und reagiert höchst erstaunt, als sie erfährt, dass es sich um eine Schülergruppe aus Jessen handelt, die am Beginn der Ferien nach Berlin gefahren ist. „So etwas wäre in Berlin nicht möglich“, murmelt sie, mit etwas Wehmut in der Stimme, „Ihre Schüler sind so brav, so nett. Das ist so schön!“.

Was soll man dazu noch sagen? Vielen Dank an alle, die mitgereist sind. Wir hoffen, ihr hattet einen so schönen Kultursamstag, wie die euch begleitenden Lehrer Frau Trabitz, Frau Pahlow und Herr Schneidmadel.

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